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Kulturschock - Das macht man hier so!

Heute geht es um Kulturschock im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Diese 3 schockierenden Regeln habe ich zum ersten Mal in Deutschland so extrem erlebt und weil sie mich ziemlich sprachlos gelassen haben, möchte ich dir davon erzählen und auch gerne von dir hören, ob du das auch so erlebt hast und wie deine Reaktion dabei war.

Regel Nr. 1 - Im Regen bleibt man stehen
 

Das meine ich natürlich nicht ganz wortwörtlich, aber genau das ist im Endeffekt passiert.

Es war ein ganz verregneter Tag - also einer von den mehreren, die man so in Deutschland ziemlich häufig erlebt - auch im Sommer, denn wie wir alle wissen, der deutsche Sommer ist eigentlich ein Mythos - den gibt es nämlich gar nicht so richtig, aber egal. An so einem Tag regnete es in Strömen. Es war ein typischer Sommerregen, denn der Regen kam ganz plötzlich aus dem Nichts, also aus dem heiteren Himmel so zu sagen.
 

 

 
Die Deutschen sind normalerweise für solche Situationen super ausgerüstet - sie tragen nämlich entweder sicherheitshalber einen Regenschirm mit oder haben wie immer ihre gute Regenjacke an.

Ich hatte überraschenderweise auch meinen Regenschirm dabei und hatte mich fast geärgert, dass ich ihn überhaupt mitgenommen habe, da es an diesem Tag nicht so aussah, als es regnen würde. Außerdem blieben mir nur noch ein paar hundert Meter bis zum Uni-Gebäude.
 

 

 
Auf jeden Fall fing es da plötzlich an, sehr stark zu regnen. Und ich war gerade am Überlegen, ob es sich lohnt, den Regenschirm zu öffnen oder ob es nicht besser wäre, wenn ich einfach schnell rüber laufen würde. Auf der kleinen Seitenstraße, auf der ich gerade ging, gab es nicht so viele Menschen, aber wenn es welche gegeben hätte, dann hätten sie bestimmt in so einer Situation angefangen, schneller zu gehen und nach etwas zu suchen, wo sie sich darunter stellen konnten, bis der Regen vorbei war. Zumindest war das meine natürliche Erwartung - schnell laufen und sich vom Regen verstecken, damit man nicht nass wird.

So und während ich mit mir selbst debattiert habe, kam mir eine rennende Person entgegen. Deshalb dachte ich mir - komm dann rennst du jetzt auch eben schnell auf die anderen Straßenseite und gut ist.

Zwischen uns gab es nur eine kleine Straße zum Überqueren. Und natürlich gab es da auch eine Ampel. Haha - Pfeif auf die Ampel und renn weiter, würdest du sagen, bzw. schau kurz nach links und rechts und wenn keine Autos zu sehen sind, dann lauf schnell rüber.
 

 

 
Aber Moment mal! Es ist eine Ampel! Und wir sind in Deutschland!
 

 
Also: Halt! Stopp!

So einfach ist das gar nicht. Denn man darf nicht einfach so bei Rot rüber gehen.
 

 

 
Ich sah mir die rennende Person an, die sich immer schneller näherte und dachte mir: "Er wird bestimmt nicht halten. Bei dem Regen und außerdem schien er wirklich in Eile zu sein. Also dachte ich mir, dass wir beide schnell über die Straße rennen würden.

Und was machte er stattdessen?

Er hielt an. Er hielt an der Ampel an und hat auf den Knopf gedrückt, damit die Ampel für Fußgänger auf Grün umschaltet.

Man weiß aber, dass das vermutlich erst nach 5 Minuten passieren würde und dass er bis dann komplett nass sein wird. Aber das war ihm anscheinend in dem Moment egal. Er stand da ganz geduldig und hat es gar nicht gewagt, sich von der Stelle zu bewegen, geschweige es nach links oder nach rechts zu gucken.

Und glaub mir, hätte er es gemacht, hätte er nämlich gemerkt, dass da gar keine Autos waren. Aber nein! Dieser junge Mann stand da und hat auf die grüne Ampel gewartet...

Ich war absolut schockiert.

Da bin ich plötzlich auch stehen geblieben und dachte mir - Na gut, da kannst du jetzt auch deinen Regenschirm rausholen.

Aber ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich ihm lieber den Regenschirm anbieten sollte, oder ob ich ihn über meinen Kopf halten müsste.

So perplex war ich.

Die Hessen sagen dazu: Ich war ganz baff.

Ja, man darf eben über eine rote Ampel nicht gehen und auch im Regen bleibt man stehen.

Ein paar Jahre später habe ich es noch einmal gewagt, schnell über Straße zu laufen. Da war ich aber auch nicht alleine, sondern in Begleitung von ein paar deutschen Kollegen aus der Mittagspause und liefen schnell über die Straße, weil unsere Pause schon vorbei war und wir uns für die Arbeit nicht verspäten wollten. Als wir es bis zur Hälfte der Straße geschafft haben, rief uns ein kleiner Junge hinterher: "Rotgänger sterben früher"!
 

 

 
Was?

Ja, richtig, der Junge war vielleicht im Alter von ca. 6 Jahren oder so. Er guckte uns ganz böse an und rief: "Rotgänger sterben früher".

Das hat er bestimmt von seinen Eltern so gelernt. Und eigentlich hat er auch recht gehabt. Man sollte nicht über die rote Ampel gehen, aber ich habe es in meinem Land nie so streng erlebt, dass alle stehen bleiben, sondern man schaut sich eben um und bleibt erst dann stehen, wenn Autos kommen.

Zum ersten Mal war es mir bewusst geworden, dass ein Erwachsener so eine Situation ganz anders einschätzt, als Kleinkinder zum Beispiel. Sie können oft nicht abschätzen, ob ein Auto bald kommt und sie sollten generell nicht über die Straße laufen. Aber ich hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie als Vorbild für kleine Kinder gesehen.

Seit diesem Vorfall habe ich mich nie wieder getraut, über die rote Ampel zu gehen, wenn kleine Kinder dabei sind. Ich bleibe auch im Regen immer stehen.


 
Regel Nr. 2: Man darf sich laut schneuzen.

Dies passierte in einer meiner ersten Vorlesungen an der Uni. Die hieß glaube ich "Einführung in die Linguistik" bei Prof. Zimmermann. Diese eine Vorlesung also fing ganz normal an - Der Prof schrieb Sachen an die Tafel an. Wir führten unsere Notizen und im Raum war es ziemlich ruhig.

Plötzlich hielt der Professor mittendrin im Satz an. Es war ganz still. Ich dachte, dass etwas Unerlaubtes passiert ist, oder dass jemand sich zu Wort gemeldet hatte. Aber nein! Niemand wollte etwas sagen. Der Professor holte sein Taschentuch raus und blies sich die Seele raus. So richtig laut!

Ich war so - iiii - wie eklig ist das denn, bitte?!

Und das von einem Professor?! Mittendrin in der Vorlesung - was sollte das?

Ich meine, wenn man verschnupft ist, dann muss man sich schon irgendwie die Nase putzen, aber das macht man eher diskret. Man entschuldigt sich, man geht aus dem Zimmer raus, auf die Toilette oder irgendwo in eine ruhige Ecke hin und wischt sich die Nase ab, aber doch nicht mit so einem super lauten "Furzen" sage ich mal jetzt. Denn genauso hat sich das angehört. Wie das Geräusch, was man macht, wenn man aufs Klo muss :-) Und ich finde das laute Schneuzen genauso unangebracht, wie das Pupsen, also das Furzen eben.

Zu meiner Überraschung aber ist das laute Naseputzen niemandem sonst aufgefallen außer mir. Alle saßen da, schrieben weiter und schauten eher gelangweilt aus.
 

 

 
Am Ende der Vorlesung fingen dann alle plötzlich an zu klopfen. Das fand ich schon wieder irgendwie komisch. Manche haben sogar mit den Füßen auf den Boden gestampft. Haben sie bis zum Ende der Vorlesung gewartet, um ihre Empörung zu äußern? Nein! Das macht man hier so. Man klopft auf den Tisch oder man stampft mit den Füßen als Zeichen für Anerkennung, also eine Art Applaus so zu sagen. Und ich dachte mir, dass das Klatschen mit den Händen international wäre. Tja - an der Uni macht man das anders.

Regel Nr. 3: Man muss ganz nackt sein.

Das betrifft zwar nur die Sauna und die Umkleidekabinen, aber selbst das finde ich irgendwie ein bisschen zu viel.

Das erste Mal als ich in die Sauna wollte, wusste ich natürlich nicht, dass die Deutschen bei diesem Thema so sensibel reagieren.

Ich war da mit einer anderen ausländischen Freundin. Und als wir darein kamen, nur im Bikini, haben uns alle ganz komisch angestarrt.


 

 
Wir haben auch große Augen gemacht, weil wir da ganz viele nackte Menschen gesehen haben - meistens ältere Omas und Opas, die ich mir am liebsten gar nicht ansehen wollte. Und bevor ich mir weiter Gedanken darüber machen konnte, sagte eine strenge Stimme "Ziehen Sie sich bitte komplett aus".

Meine Freundin und ich haben uns nur kurz angeschaut, umgedreht, ein kleines "Entschuldigung" gesagt und so schnell wie möglich die Tür hinter uns wieder zugemacht.

Die Deutschen halten sich anscheinend ganz gern Regeln. Und in diesem Fall lautete die Regel: Man sitzt in der Sauna ganz nackig.

Also ohne jegliche körperliche Bedeckung. Ohne Unterwäsche, Badeanzug oder so was, sondern ganz nackt. Man setzt sich zwar auf das Badetuch, aber man ist komplett nackt. Und dazu kommt noch, dass die Saunas in Deutschland schon meistens gemischt sind, d.h. Männer und Frauen dürfen zusammen in der Sauna sitzen.

Ja gut, an manchen Tagen werden extra Frauentage organisiert, aber an den anderen Tagen ist die Sauna gemischt.

Weiter über das Thema "Nacktheit" unterhalte ich mich mit Claudia in der Kaffeepause:

Ja, das waren also meine 3 schockierenden Erlebnisse in Deutschland: Das ausnahmslose Warten an der roten Ampel, das laute Naseputzen und die Nacktheit in der Sauna.

Wie man so schön sagt: Andere Leute, andere Sitten.

So habe ich gelernt, dass nur weil etwas als normal in einem Land gilt, ist das nicht immer der Fall in einem anderen. Es ist wirklich interessant darüber nachzudenken, wie solche gesellschaftlichen Regeln zustande kommen, und das sie nicht immer einen Sinn für alle ergeben.

Mit der Zeit gewöhnt man sich an Vieles, aber so manche Sachen versetzen einen immer wieder in einen kleinen Kulturschock.

Deshalb möchte ich gerne mit dir weiter über dieses Thema diskutieren:

Was ist für dich ein Kulturschock?

Hast du es auch so ähnlich erlebt wie ich oder überraschen dich solche Sachen gar nicht? Vielleicht warst du in einem anderen Land und hast dort etwas Schockierendes oder etwas ganz Ungewöhnliches erlebt.

Die besten Kommentare gibt es wie immer auf meiner Webseite: www.germanskills.com.

Deshalb scroll runter und lass uns weiter über das Thema diskutieren.

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Also, bis zum nächsten Tipp.

Deine Herausforderin,

Dilyana

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